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Pflichtteil in Frankreich – das Noterbrecht („réserve héréditaire“)

Im französischen Erbrecht ist die Testierfreiheit des Erblassers durch das gesetzlich verankerte Noterbrecht eingeschränkt. Dieses Noterbrecht gewährleistet, dass nahe Verwandte des Erblassers, sogenannte Noterben, einen gesetzlich geschützten Anteil am Nachlass erhalten, die sogenannte „réserve héréditaire“ oder Vorbehaltsteil.

Eigenschaften des Noterbrechts

Echtes Erbrecht: Im Unterschied zum deutschen Pflichtteilsrecht, wo der Pflichtteilsberechtigte lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Geldzahlung hat, sind die Noterben nach französischem Recht tatsächlich Erben. Sie erwerben mit dem Erbfall unmittelbar Eigentum an ihrem zustehenden Erbteil.

Beschränkung der Testierfreiheit: Der Erblasser kann nur über einen bestimmten Teil seines Nachlasses, die „quotité disponible“, frei verfügen. Der größere Teil des Nachlasses, die „réserve héréditaire“, ist den Noterben vorbehalten und schützt diese vor vollständiger Enterbung. Dies bedeutet, dass lebzeitige Schenkungen oder testamentarische Verfügungen, die den gesetzlichen Anteil der Noterben beeinträchtigen könnten, angefochten werden können.

Konsequenzen für die Erbengemeinschaft: Da die Noterben echte Erben sind, entsteht zwischen ihnen und den testamentarisch bestimmten Erben eine Erbengemeinschaft. Diese Konstellation erfordert eine Auseinandersetzung unter den Erben, um den Nachlass entsprechend den gesetzlichen und testamentarischen Bestimmungen zu verteilen.

Wer ist Pflichtteilsberechtigter in Frankreich und wie hoch ist der französische Pflichtteil 

Zu den Noterben gehören die Kinder des Erblassers und unter Umständen der Ehegatte. Die Höhe des Pflichtteils der Noterben variiert je nach Anzahl der Kinder und der familiären Situation des Erblassers.

Für Kinder des Erblassers

  • Ein Kind: Der Pflichtteil für ein Kind beträgt die Hälfte des Nachlasses.
  • Zwei Kinder: Bei zwei Kindern erhöht sich der Pflichtteil auf zwei Drittel des Nachlasses.
  • Drei oder mehr Kinder: Bei drei oder mehr Kindern umfasst der Pflichtteil drei Viertel des Nachlasses

Diese Regelung stellt sicher, dass der Nachlass in bedeutendem Umfang innerhalb der Familie bleibt und die Kinder des Erblassers geschützt sind.

Für den überlebenden Ehepartner

  • Ohne Abkömmlinge: Der überlebende Ehepartner hat ein Noterbrecht, wenn keine Kinder oder Enkelkinder des Erblassers vorhanden sind. In diesem Fall beträgt der Pflichtteil des Ehepartners ein Viertel des Nachlasses.
  • Bei vorhandenen Abkömmlingen: Das Noterbrecht des überlebenden Ehepartners entfällt, wenn der Erblasser Abkömmlinge hinterlässt.

Diese Regelungen reflektieren die Absicht des französischen Gesetzgebers, die Rechte der Kinder zu stärken, während dem Ehepartner ein gesicherter Anteil nur in Abwesenheit direkter Nachkommen des Erblassers gewährt wird. Das französische Erbrecht stellt die familiäre Bindung und den Schutz der nächsten Generation in den Vordergrund.

Pflichtteilreduzierung und Enterbung in Frankreich

Nach französischem Recht ist eine vollständige Enterbung der Noterben, zu denen Kinder und der Ehegatte gehören, nicht möglich. Das französische Erbrecht schützt durch das gesetzlich verankerte Noterbrecht („réserve héréditaire“) diese nahestehenden Verwandten vor der vollständigen Enterbung durch den Erblasser.

Unantastbarkeit des Noterbrechts

  • Schutz des Noterbrechts: Kinder und der Ehegatte des Erblassers sind durch das Noterbrecht geschützt, das nicht reduziert werden darf. 
  • Keine vollständige Enterbung möglich: Französisches Recht erlaubt es nicht, gesetzliche Erben vollständig zu enterben. Verfügungen, die das Noterbrecht verletzen, sind rechtlich nicht haltbar und können vor Gericht erfolgreich angefochten werden.

Verfügungen über den frei verfügbaren Teil

  • Frei verfügbarer Teil („quotité disponible“): Der Erblasser hat das Recht, über den Teil seines Nachlasses, der nicht durch das Noterbrecht geschützt ist, frei zu verfügen. Dieser frei verfügbare Teil kann durch lebzeitige Schenkungen oder testamentarische Verfügungen an Dritte übertragen werden, ohne dass die Noterben diesen Entscheidungen widersprechen können.

Besondere Regelungen für den Ehegatten

  • Übertragung an den Ehegatten: Der Erblasser kann seinem Ehegatten einen größeren Anteil seines Vermögens über den gesetzlich freien Teil hinaus zuweisen. Dies kann in Form von Eigentum oder Nießbrauch erfolgen.
  • Optionen für den Ehegatten, wenn Kinder vorhanden sind: Der Ehepartner kann die gesamte „quotité disponible“ erhalten, also den gesamten frei verfügbaren Teil des Vermögens.
  • Eine alternative Option wäre die Übertragung von einem Viertel des Vermögens als Eigentum und drei Vierteln als Nießbrauch.
  • Der Ehegatte könnte auch ein Nießbrauchrecht über das gesamte Vermögen erhalten.

Durch diese Regelungen wird ein Ausgleich zwischen dem Schutz der engsten Angehörigen und der testamentarischen Freiheit geschaffen. Ohne den Schutz von Familienmitgliedern aus den Augen zu verlieren, gewährt das französische Erbrecht dem Erblasser eine gewisse Flexibilität bei der Gestaltung seines Nachlasses zu Gunsten seines Ehepartners. 

Durchsetzung des Pflichtteils in Frankreich / Herabsetzungsklage

Wenn die Rechte der Noterben durch eine Verfügung des Erblassers beeinträchtigt sind, hält das französische Gesetzbuch Regelungen bereit die es ihnen ermöglichen, ihre Rechte durchsetzen. 

Funktion der Herabsetzungsklage

Die Herabsetzungsklage („action en réduction“) ermöglicht es den Noterben, jede Verfügung – sei es durch Testament oder Schenkung – anzufechten, die ihren gesetzlich garantierten Anteil beeinträchtigt. Dies umfasst testamentarische Verfügungen sowie Schenkungen, die gemacht wurden, um den Pflichtteil der Noterben zu umgehen oder zu schmälern. Verfügungen, die den gesetzlich vorgeschriebenen Vorbehaltsteil übersteigen, können durch diese Klage reduziert werden, um den rechtlichen Anforderungen zu entsprechen. 

Fristen für die Einreichung der Herabsetzungsklage

  • Standardfrist: Die Klage muss innerhalb von fünf Jahren nach dem Tod des Erblassers eingereicht werden.
  • Verlängerte Frist bei verspäteter Kenntnis: Falls die Noterben erst später vom Tod des Erblassers erfahren, verlängert sich die Frist für die Einreichung der Klage auf zwei Jahre nach dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung. Diese verlängerte Frist darf jedoch zehn Jahre nach dem Erbfall nicht überschreiten.Die klare Festlegung von Fristen gewährleistet, dass Ansprüche innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens geltend gemacht werden müssen, um Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.

Dr. Cécile Walzer

Rechtsanwältin
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