Ein Beitrag von Ralph Butenberg, Fachanwalt für Erbrecht und für Steuerrecht
Wenn ein Angehöriger stirbt, beginnt häufig eine Zeit voller rechtlicher Unsicherheiten. Wer erbt was? Gibt es ein Testament? Was gilt für Pflichtteilsberechtigte oder Vermächtnisnehmer? Und was passiert mit der Verjährung erbrechtlicher Ansprüche, während ein Erbscheinsverfahren beim Nachlassgericht läuft?
Als Fachanwalt für Erbrecht in Hamburg gebe ich Ihnen in diesem Beitrag einen klaren Überblick über Ihre Rechte als Erbe, Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer – und zeige, wie Sie die Verjährungsfristen sicher im Blick behalten.
Inhalt
Was ist das Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht?
Das Nachlassgericht ist zuständig für die Erteilung von Erbscheinen (§ 2353 BGB). In einem Erbscheinsverfahren wird geprüft, wer rechtlich als Erbe gilt – sei es aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder durch ein Testament. Der Erbschein dient gegenüber Banken, Grundbuchämtern und anderen Institutionen als Nachweis der Erbenstellung.
Wichtig ist:
Das Erbscheinsverfahren ist kein Verfahren zur Durchsetzung von Pflichtteils- oder Vermächtnisansprüchen. Über diese Ansprüche entscheidet das Nachlassgericht nicht.
Ihre Ansprüche im Erbfall: Pflichtteil, Vermächtnis und mehr
Nach dem Erbfall können verschiedene erbrechtliche Ansprüche entstehen:
- Pflichtteilsanspruch nach §§ 2303 ff. BGB: Wenn Sie als naher Angehöriger (z. B. Kind, Ehegatte) enterbt wurden, steht Ihnen ein gesetzlich garantierter Anteil am Nachlass zu.
- Vermächtnisanspruch nach §§ 2174 ff. BGB: Wenn Ihnen ein bestimmter Gegenstand, eine Geldsumme oder ein Nutzungsrecht vermacht wurde, können Sie diesen Anspruch gegenüber den Erben geltend machen.
Diese Ansprüche müssen von Ihnen aktiv eingefordert werden – und unterliegen der Verjährung.
Verjährung erbrechtlicher Ansprüche: Wie lang ist und wann beginnt die Frist?
Für Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisse gilt grundsätzlich die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem Sie von Ihrem Anspruch und der Person des Erben Kenntnis erlangt haben – oder hätten erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB). Dies sind so genannte „anspruchbegründende Tatsachen“.
Wichtig zu wissen: Absolute Sicherheit, wer nun wirklich Erbe ist, verlangt das Gesetz nicht. Die Verjährung beginnt nämlich bereits dann, wenn sich auf der Grundlage der bekannten Tatsachen eine Feststellungsklage insgesamt erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos erheben ließe (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 ff,). Damit ist im Regelfall davon auszugehen, dass mit der Eröffnung des betreffenden Testaments alle „anspruchsbegründenden Tatsachen“ bekannt sind und die Verjährung beginnt.
Haben Sie beispielsweise im Februar 2022 erfahren, dass Ihnen ein Vermächtnis zugewendet wurde, dann begann die Verjährung Ihres Vermächtnisanspruchs mit Ablauf des 31.12.2022 und endet mit dem Ablauf des 31.12.2025.
Ein Beispiel aus unserer Praxis
Unsere Mandantin wurde vor dem Landgericht Hamburg (Az. 322 O 300/24) verklagt und sollte ein Vermächtnis erfüllen. Konkret ging es um eine Zahlung in Höhe von rund 50.000 €, die die Gegnerin einforderte.
Der Erblasser verstarb im Januar 2017 und hinterließ verschiedene kurz danach vom Nachlassgericht eröffnete Testamente. Im Erbscheinsverfahren, das unter Beteiligung der Gegnerin von Mai 2017 bis zum April 2020 andauerte, konnten wir die Erbenstellung unserer Mandantin nach mehreren Verhandlungsterminen und Beweisaufnahmen belegen, so dass ihr der beantragte Erbschein erteilt wurde.
Erst im November 2023 erhob die Gegnerin Klage auf Erfüllung des angeblichen Vermächtnisses. Sie meinte, dass erst mit Abschluss des Erbscheinsverfahrens bekannt war, dass unsere Mandantin die Erbin und damit die Anspruchsgegnerin war. Richtigerweise entscheid das Landgericht Hamburg, dass die angeblichen Vermächtnisansprüche der Gegenpartei jedoch bereits mit Ablauf des 31.12.2020 verjährten.
Hemmt ein Erbscheinsverfahren die Verjährung von Pflichtteil oder Vermächtnis?
Eine der häufigsten Fragen in unserer Praxis lautet:
Wird die Verjährung meiner Ansprüche unterbrochen, solange das Nachlassgericht noch nicht über den Erbschein entschieden hat?
Die klare juristische Antwort lautet: Nein.
Ein laufendes Erbscheinsverfahren hemmt die Verjährung nicht, da es nicht der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs dient, sondern lediglich klärt, wer Erbe ist.
Die Verjährung kann nur gehemmt werden durch beispielsweise:
- Verhandlungen mit den Erben (§ 203 BGB)
- Klageerhebung bei dem zuständigen Gericht (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB)
- Antrag auf Mahnbescheid (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB)
- Selbständiges Beweisverfahren oder vergleichbare Maßnahmen
Ohne aktives Tätigwerden läuft die Verjährung ungehindert weiter.
Typischer Fehler: Auf den Erbschein warten – und die Frist verstreichen lassen
Aus Erfahrung als Rechtsanwälte und Fachanwälte für Erbrecht wissen wir: Viele Betroffene warten mit der Geltendmachung ihres Pflichtteils oder Vermächtnisses ab, bis der Erbschein vorliegt. Das kann in vielen Fällen fatal sein.
Wer seinen Anspruch also nicht rechtzeitig geltend macht und Maßnahmen zur Verjährungsunterbrechung ergreift, verliert seinen Anspruch womöglich unwiderruflich.
Drohende Verjährung von erbrechtlichen Ansprüchen – was tun?
Wenn Sie glauben, dass Ihnen ein Pflichtteil oder ein Vermächtnis zusteht, oder wenn Sie unsicher sind, ob ein Testament wirksam ist, sollten Sie unverzüglich handeln. Als erfahrene Rechtsanwälte und Fachanwälte für Erbrecht in Hamburg raten wir:
- Sichern Sie Beweise und Dokumente
- Lassen Sie sich anwaltlich beraten
- Nehmen Sie Kontakt mit den Erben auf (Verhandlungen können die Verjährung hemmen!)
- Erheben Sie ggf. rechtzeitig Klage, um die Verjährung zu stoppen
Fazit: Ihre Rechte als Erbe, Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer in Hamburg sichern
Ein Erbscheinsverfahren beim Nachlassgericht Hamburg kann Monate dauern – doch Ihre Verjährungsfrist läuft möglicherweise bereits. Ob Pflichtteil, Vermächtnis oder sonstiger Anspruch: Warten Sie nicht zu lange.
Als Fachkanzlei für Erbrecht in Hamburg helfen wir Ihnen, Ihre Ansprüche rechtzeitig und rechtssicher geltend zu machen. Wir prüfen für Sie die Verjährung, beraten zum Erbschein und vertreten Sie im Zweifel auch vor Gericht.
Jetzt Beratung anfragen: Fachanwalt für Erbrecht in HamburgSie haben Fragen zur Verjährung im Erbfall, zum Erbschein, zum Pflichtteilsanspruch oder zu Ihrem Vermächtnis? Dann nehmen Sie Kontakt zu unserer Kanzlei auf – wir beraten Sie persönlich, klar und auf Augenhöhe.