Das Multiplikatorverfahren, auch als Marktwertverfahren bekannt, ist eine praxisnahe und marktorientierte Methode zur Unternehmensbewertung. Dabei wird der Unternehmenswert durch Vergleich mit ähnlichen Unternehmen am Markt ermittelt – basierend auf Multiplikatoren wie dem EBITDA, EBIT oder dem Umsatz.
Das Multiplikatorverfahren ist eine pragmatische, oft kosteneffiziente Methode zur Orientierung oder Plausibilisierung gegenüber Ertragswert– bzw. DCF-Verfahren. Berufsständische Standards (IDW) sehen marktpreisorientierte Verfahren als zulässige Ergänzung; in streitigen Fällen bleibt ein IDW S1-Gutachten oft die detailliertere und in der Praxis häufig geforderte Beweismittelgröße, insbesondere bei Gesellschafterstreitigkeiten, Zugewinnausgleich und Erbauseinandersetzungen.
Unsere Kanzlei mit Standorten in Hamburg, Berlin und München verfügt über Fachanwälte für Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Erbrecht und Familienrecht, die Sie bei der sachgerechten Anwendung des Multiplikatorverfahrens unterstützen – insbesondere in Verkaufsverhandlungen, bei der Unternehmensnachfolge oder bei streitigen Auseinandersetzungen rund um Abfindungen oder Zugewinnausgleich.
Inhalt
Was ist das Multiplikatorverfahren? – Marktwert-basierte Alternative zu Ertragswertverfahren
Beim Multiplikatorverfahren wird der Wert eines Unternehmens aus dem Produkt eines betriebswirtschaftlichen Kennwerts (z. B. EBITDA) und eines marktbasierten Multiplikators berechnet. Dieser Multiplikator leitet sich aus aktuellen Transaktionsdaten vergleichbarer Unternehmen (sogenannte Peer Group) ab.
Typische Formeln lauten:
- Unternehmenswert = EBITDA × Markt-Multiplikator
- Unternehmenswert = Umsatz × Multiplikator
- Eigenkapitalwert = Jahresüberschuss × KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis)
Die Auswahl der Vergleichsunternehmen und der richtigen Kennzahl ist dabei entscheidend für die Aussagekraft der Bewertung.
Rechtliche Anwendungsfälle: Wann ist das Multiplikatorverfahren die bessere Wahl?
Das Multiplikatorverfahren eignet sich besonders in folgenden Situationen:
- M&A-Transaktionen: Für die schnelle, marktorientierte Kaufpreisfindung bei Unternehmensverkäufen und -übernahmen.
- Unternehmensnachfolge: Zur Orientierung bei familieninternen oder externen Übergaben.
- Gesellschafterauseinandersetzungen & Abfindungen: Wenn der Verkehrswert marktgerecht ermittelt werden soll.
- Erbauseinandersetzungen & Zugewinnausgleich: Bei der Bewertung von Unternehmensanteilen im familiären Kontext.
- Steuerliche Zwecke: In bestimmten Fällen als Plausibilitätsprüfung bei anderen Bewertungsverfahren.
Gesellschaftsrecht & Bewertungsstreitigkeiten
- Gesellschafterabfindung: Schnelle Marktwertermittlung bei Ausscheiden oder Ausschluss von Gesellschaftern
- Bewertungsstreit zwischen Gesellschaftern: Objektive Alternative zu strittigen Ertragswertgutachten
- Buy-Sell-Agreements: Vertraglich vereinbarte Bewertungsmechanismen in Gesellschaftsverträgen
- Squeeze-Out-Verfahren: Angemessene Barabfindung nach Aktiengesetz
Familienrecht & Vermögensauseinandersetzung
- Zugewinnausgleich bei Scheidung: Unternehmensbewertung nach § 1376 BGB zur Ermittlung des objektiven Verkehrswerts
- Ehevertragliche Bewertungsklauseln: Vorab-Definition von Bewertungsmethoden zur Konfliktvermeidung
- Gütertrennung: Faire Aufteilung von Unternehmenswerten bei Ehescheidung
- Unternehmerfamilien: Liquiditätsschonende Bewertungsansätze zum Erhalt des Familienunternehmens
Vorteile gegenüber herkömmlichen Bewertungsverfahren
- Praxisnah und schnell: Ideal für erste Orientierungswerte oder Verhandlungen.
- Marktorientiert: Spiegelung realisierter Unternehmensverkäufe.
- Flexibel anwendbar: Je nach Branche, Unternehmensgröße und Datenverfügbarkeit.
- Gut kombinierbar mit Ertragswert- oder DCF-Verfahren zur Validierung.
Multiplikatorverfahren vs. andere Bewertungsmethoden
Gegenüber Ertragswertverfahren (IDW S1)
- Schneller: Erstellung in Wochen statt Monaten bei komplexen Ertragswertgutachten
- Kostengünstiger: 50-70% niedrigere Bewertungskosten gegenüber aufwendigen IDW S1-Gutachten
- Objektiver: Basiert auf Marktdaten statt subjektive Zukunftsprognosen und Annahmen
- Akzeptierter: Höhere Akzeptanz bei Verhandlungspartnern durch Markttransparenz
Gegenüber DCF-Verfahren (Discounted Cash Flow)
- Weniger komplex: Keine detaillierten Cashflow-Prognosen und WACC-Berechnungen erforderlich
- Marktrealistisch: Basiert auf tatsächlich bezahlten Kaufpreisen vergleichbarer Unternehmen
- Rechtssicher: Von der BGH-Rechtsprechung als ergänzende Plausibilitätsprüfung zum Ertragswertverfahren anerkannt
- Praktikabel: Besonders geeignet für mittelständische Unternehmen ohne komplexe Strukturen
Wann andere Verfahren besser geeignet sind
- Substanzwertverfahren: Bei vermögensverwaltenden Gesellschaften oder Asset-schweren Unternehmen
- Ertragswertverfahren: Bei einzigartigen Geschäftsmodellen ohne ausreichende Vergleichsunternehmen
- Liquidationswert: In Krisen- und Insolvenzszenarien oder bei Zerschlagungsabsichten
Unsere Leistungen im Bereich Multiplikatorverfahren
Unsere Kanzlei begleitet Sie umfassend bei der Anwendung und rechtssicheren Umsetzung des Multiplikatorverfahrens:
- Auswahl geeigneter Vergleichsunternehmen (Peer Group)
- Prüfung und Anpassung der Multiplikatoren auf Ihre individuelle Unternehmenssituation
- Rechtliche Begleitung bei Kaufverhandlungen und Vertragsgestaltung
- Beratung bei steuerlicher Optimierung in Nachfolge-, Erb- oder Schenkungsfällen
- Interdisziplinäre Unterstützung durch Fachanwälte und kooperierende Steuerberater
Praxisbeispiel: Gesellschafterabfindung mit Multiplikatorverfahren
Ausgangslage: Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer mittelständischen Maschinenbau-GmbH aufgrund unüberbrückbarer Differenzen mit den Mitgesellschaftern.
Streitpunkt: Die Höhe der Abfindung war umstritten. Ein beauftragtes Ertragswertgutachten ergab einen Unternehmenswert von 2,4 Millionen Euro, was der ausscheidende Gesellschafter als zu niedrig ansah.
Unsere Lösung: Parallel durchgeführte EBITDA-Multiplikator-Analyse auf Basis vergleichbarer Maschinenbau-Unternehmen in Deutschland.
Berechnung:
- EBIT (bereinigter Dreijahresdurchschnitt): 850.000 Euro
- Branchenmultiplikator Maschinenbau (Deutschland): ca. 5,7x EBIT
- Ermittelter Unternehmenswert: 4,85 Millionen Euro
- Gesellschafteranteil: 25%
- Resultierende Abfindung: 1.212.500 Euro
Ergebnis: Außergerichtliche Einigung zwischen den Parteien, sechs Monate Zeitersparnis gegenüber einem Gerichtsverfahren und Kostenersparnis von rund 40.000 Euro für zusätzliche Gutachten.
Warum mit uns?
Dank der engen Zusammenarbeit unserer Fachanwälte für Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Erbrecht und Familienrecht bieten wir Ihnen eine rechtlich fundierte und wirtschaftlich nachvollziehbare Gestaltung. Ob im Rahmen von Unternehmensnachfolge, Familienvermögensplanung oder streitiger Auseinandersetzung – bow legal sorgt dafür, dass Ihre Bewertung tragfähig und belastbar ist.
Wir beraten Sie persönlich, diskret und mit langjähriger Erfahrung vor Ort in Hamburg, Berlin und München oder digital. Kontaktieren Sie uns für eine kostenlose Ersteinschätzung – wir analysieren Ihren konkreten Bewertungsfall und entwickeln gemeinsam die optimale Lösung.
FAQ Multiplikatorverfahren
Ja. Die deutsche Rechtsprechung, einschließlich des Bundesgerichtshofs, erkennt das Multiplikatorverfahren als marktorientierte Bewertungsmethode an. Es wird häufig zur Plausibilitätskontrolle anderer Bewertungsverfahren eingesetzt und ist bei der Ermittlung einer angemessenen Abfindung nach § 728 BGB n.F. zulässig..
Die Multiplikatoren variieren erheblich je nach Branche und Marktlage. Richtwerte für deutsche Unternehmen:
- IT/Software: 2-8x Umsatz oder 8-20x EBITDA (je nach Wachstum/Größe)
- Maschinenbau: aktuell ca. 5,7x EBIT bzw. 4-6x EBITDA (basierend auf aktuellen Transaktionsdaten)
- Handel: 0,3-0,7x Umsatz oder 3-6x EBITDA
- Dienstleistung: 1-2x Umsatz oder 5-10x EBITDA
Die genannten Multiplikatoren sind rein indikativ und stark stichtags-, daten- und transaktionsgrößenabhängig. Konkrete Multiples werden aus aktuellen Peer-Transaktionen bzw. Trading-Daten abgeleitet; wir dokumentieren stets Quelle und Stichtag (z. B. Branchen-Datenbanken wie KPMG Multiples / KPMG Atlas).
Ja — bewährte Bewertungsklauseln mit klar definierter Multiplikator-Methodik können Konflikte reduzieren. Wichtig ist jedoch eine präzise Formulierung (z. B. Auswahl der Kennzahl, Stichtag, Datenquelle, Anpassungsmechanik), damit Klauseln im Streitfall vor Gericht Bestand haben. Wir entwerfen solche Klauseln unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung und der Erfordernisse der tatrichterlichen Überprüfbarkeit.
Idealerweise sollten Multiplikatoren auf Transaktionen der letzten 12-24 Monate basieren. Bei volatilen Märkten empfehlen sich Drei-Jahres-Durchschnitte zur Glättung. Der Bewertungsstichtag ist für rechtliche Bewertungen entscheidend und muss bei der Multiplikator-Auswahl berücksichtigt werden.
Multiplikator-Bewertungen sind deutlich kostengünstiger als aufwendige Ertragswert- oder DCF-Gutachten:
- Indikative Bewertung: 3.000-7.000 Euro
- Rechtsfähiges Gutachten: 8.000-20.000 Euro
- Zum Vergleich IDW S1-Gutachten: 7.900-25.000 Euro (je nach Komplexität)
Kostenangaben sind orientierend. Die endgültigen Honorare hängen von Umfang, Komplexität, Branche und Datenaufbereitung ab.
Das Verfahren ist nicht empfehlenswert bei:
- Akuten Krisensituationen (hier sollte der Liquidationswert ermittelt werden)
- Verlustunternehmen mit negativen EBITDA/EBIT-Werten
- Sehr spezialisierten Nischenmärkten ohne ausreichende Vergleichsunternehmen
- Vermögensverwaltenden Gesellschaften (hier ist das Substanzwertverfahren angemessener)
Typische Korrekturfaktoren sind:
- Größenabschlag: 10-30% für kleinere Unternehmen gegenüber börsennotierten Vergleichsunternehmen
- Liquiditätsabschlag: 15-25% für nicht-börsennotierte Anteile
- Kontrollprämie/-abschlag: +/-15% je nach Beteiligungsquote und Einflussmöglichkeiten
- Marktzyklusanpassung: Berücksichtigung von aktuellen Marktphasen und Bewertungszyklen
Konkrete Höhe wird durch Marktdaten und begründete empirische Ableitungen belegt (vgl. Studien/Publikationen zur Marktabilität und Kontrollprämien).

