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Reduzierung des Pflichtteils möglich, Vermeidung meist schwierig
Eine Reduzierung des Pflichtteils ist in der Regel möglich, gänzlich verhindern lassen sich Pflichtteilsansprüche sich in der Regel jedoch nicht.
Zwar können Erblasser ihre Kinder und Ehegatten enterben, doch deren Pflichtteilsansprüche bleiben in den meisten Fällen bestehen – es sei denn, es liegen wirklich krasse und außergewöhnliche Umstände vor, z.B. ein Mordversuch durch den Pflichtteilsberechtigten.
Schenkungen zu Lebzeiten können Pflichtteilsansprüche mindern
Frühzeitige Schenkungen können den Pflichtteil jedoch reduzieren, zum Beispiel durch schenkweise Übertragung einer Immobilie an den künftigen Erben. Erfolgt diese rechtzeitig, also mindestens zehn Jahre vor dem Erbfall (§ 2325 Abs. 3 BGB), zählt die Immobilie nicht mehr zum Nachlass und auch nicht zum sogenannten Ergänzungsnachlass. Dadurch entfallen sowohl Pflichtteils- wie auch Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Ausnahme: Vorbehalt eines umfassenden Nutzungsrechts (Nießbrauch)
Doch Vorsicht, dies gilt nicht uneingeschränkt!
Häufig will der Schenker die Immobilie weiterhin nutzen, also entweder selbst bewohnen oder auf eigene Rechnung vermieten und behält sich deshalb ein möglichst umfassendes Nutzungsrecht vor. Dies kann er durch einen Nießbrauch tun, § 1030 BGB.
In diesem Fall beginnt die Zehnjahresfrist gemäß § 2325 Abs. 3 BGB jedoch nicht zu laufen. Laut Bundesgerichtshof (Urteil vom 27.04.1994, Az. IV ZR 132/93) gibt der Schenker in einem solchen Fall den „Genuss“ der Immobilie nicht auf, da er weiterhin das Recht hat, sie in vollem Umfang selbst zu nutzen, zu vermieten oder sogar Dritten unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen. Dann zählt die Immobilie weiterhin zum so genannten Ergänzungsnachlass und wird bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs berücksichtigt.
Ausnahme von der Ausnahme: Vorbehalt eines bloßen Wohnungsrechts
Anders verhält es sich, wenn der Schenker lediglich ein Wohnungsrecht an der Immobilie behält, § 1093 BGB.
Das Wohnungsrecht gestattet dem Berechtigten, die Immobilie nur für eigene Wohnzwecke zu nutzen, ohne sie vermieten oder anderweitig zur Nutzung überlassen zu können. In diesem Fall beginnt die Zehnjahresfrist zu laufen. Dies hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 29.06.2016, Az. IV ZR 474/15) bestätigt. Daher kann eine Schenkung unter Vorbehalt eines Wohnrechts grundsätzlich Pflichtteilsansprüche mindern.
Pflichtteil: Reduzierung und Minderung – Der Teufel steckt im Detail
Wie das OLG München im Urteil vom 08.07.2022 entschied, gilt dies jedoch nicht uneingeschränkt. Wenn sich das Wohnungsrecht auf sämtliche Räume einer Immobilie erstreckt und dem Berechtigten damit die alleinige Nutzung erlaubt, ist der Unterschied zum Nießbrauch gering. In einem solchen Fall gibt der Schenker ebenfalls den „Genuss“ der Immobilie nicht auf, sodass die Zehnjahresfrist gemäß § 2325 Abs. 3 BGB nicht zu laufen beginnt.
Fazit zur Reduzierung des Pflichtteils durch Schenkungen
Ausnahmen, Rückausnahmen und Rück-Rückausnahmen in Bezug auf die rechtlichen Wirkungen pflichtteilsreduzierender Maßnahmen erfordern fachkundige Beratung. Derartige Gestaltungsmaßnahmen müssen unter Berücksichtigung der neuesten Entwicklungen in der Rechtsprechung konzipiert und umgesetzt werden, anderenfalls wird die beabsichtigte Verminderung etwaiger Pflichtteilsansprüche schlicht nicht erreicht.
bow legal Rechtsanwälte steht Ihnen gern bundesweit für die Gestaltung von Nachlässen und zur Reduzierung des Pflichtteils zur Verfügung. Lassen Sie sich rechtzeitig beraten!