Die Lebensversicherung hat ihren festen Platz im Altersvorsorge-Portfolio der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands. Noch im Jahr 2023 belief sich die Gesamtzahl der Lebensversicherungsverträge auf rund 81,4 Mio., hiervon etwa 23,9 Prozent Kapitallebensversicherungen, also über 19 Mio. Verträge*. Damit ist – statistisch gesehen – klar: Derzeit werden in fast jedem Erbfall in Deutschland Lebensversicherungsleistungen ausgezahlt.
Inhalt
Die versicherungsvertragliche Bezugsberechtigung
Selbstverständlich lässt sich auch über die Leistungen aus Lebensversicherungen im Erbfall streiten.
Grund hierfür ist eine Besonderheit in unserem Zivilrecht, nämlich die sogenannte „Bezugsberechtigung im Erbfall“. Hierbei handelt es sich um eine vertragliche Anordnung, die der Versicherungsnehmer – regelmäßig der Erblasser – zu seinen Lebzeiten vornimmt. Er bestimmt damit, wer die Versicherungsleistung bei Eintritt des Versicherungsfalles – dem Tod der versicherten Person – erhalten soll.
Rechtliche Dreierkonstellation bei Lebensversicherungsverträgen
Rechtlich liegt eine Konstellation unter Beteiligung von drei verschiedenen Personen vor, die durch zwei unterschiedliche Rechtsverhältnisse miteinander verbunden sind:
Zwischen dem Erblasser (= versicherte Person) und dem Versicherungsunternehmen besteht einerseits der Versicherungsvertrag, der rechtlich als so genanntes „Deckungsverhältnis“ bezeichnet wird.
Das Rechtsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Bezugsberechtigten andererseits nennt sich „Valutaverhältnis“. Dieses „Valutaverhältnis ist nun durch die Benennung des Bezugsberechtigten durch den Erblasser gekennzeichnet: Die Benennung des Bezugsberechtigen im Versicherungsvertrag ist rechtlich ein Schenkungsversprechen gemäß § 518 Abs. 1 BGB.
Die Lebensversicherung im Erbfall: Möglicher Konflikt mit der erbrechtlichen Situation
Die versicherungsvertragliche Bezugsberechtigung hat mit der erbrechtlichen Situation nun nichts zu tun. Der Erbe des Erblassers ist nicht automatisch im Hinblick auf die Lebensversicherungsleistung bezugsberechtigt.
Entscheidend ist allein die versicherungsvertragliche Anordnung, die der Erblasser getroffen hat.
Konflikte sind vorprogrammiert, wenn der Erblasser beispielsweise seiner zweiten Ehefrau die Bezugsberechtigung an seiner Lebensversicherung zuwendet und durch Testament seinen Sohn aus erster Ehe als Erben einsetzt.
Diese oder ähnlich gelagerte Konstellationen begegnen uns in unserer Praxis tatsächlich sehr häufig, Patchworkfamilien stellen mittlerweile unserer Erfahrung nach ehe die Regel, als die Ausnahme dar.
Handlungsmöglichkeiten des Erben: Widerruf des Schenkungsversprechens
Der Erbe ist in derartigen Situationen nicht rechtlos gestellt, er kann möglicherweise die Auszahlung der Lebensversicherungsleistung verhindern.
Grund hierfür ist die Vorschrift des § 518 Abs. 1 BGB, wonach ein Schenkungsversprechen nur in notariell beurkundeter Form rechtswirksam ist.
In aller Regel werden Lebensversicherungsverträge jedoch nicht unter Beiziehung eines Notars abgeschlossen, so dass das Schenkungsversprechen zunächst rechtlich unwirksam ist.
Allerdings sieht § 518 Abs. 2 BGB vor, dass der Formmangel durch „Bewirkung der Leistung“ geheilt wird. Zahlt das Versicherungsunternehmen die Versicherungsleistung an den vertraglichen Bezugsberechtigten aus, liegt eine wirksam vollzogene Schenkung vor, so dass der Erbe in aller Regel keine Möglichkeit mehr hat, die Versicherungsleistung zu beanspruchen.
Rechtsgrund für das „Behaltendürfen“ der Versicherungsleistung entfällt durch Widerruf
Allerdings kann der Erbe vor Auszahlung der Versicherungsleistung gegenüber dem Bezugsberechtigten das Schenkungsversprechen des Erblassers widerrufen.
Achtung: Der Widerruf gegenüber dem Versicherungsunternehmen ist unerheblich. Der Widerruf muss direkt gegenüber dem Bezugsberechtigten erfolgen.
Nur wenn dem Bezugsberechtigten der Widerruf des Schenkungsversprechens vor Erhalt der Versicherungsleistung nachweislich zugeht, entfällt dadurch der so genannte Rechtsgrund für die Auszahlung der Versicherungsleistung.
Der Bezugsberechtigte darf die Versicherungsleistung dann nicht mehr behalten und muss sie an den Erben zurückzahlen, § 812 BGB.
Der entsprechende zivilrechtliche Mechanismus nennt sich „ungerechtfertigte Bereicherung“: Der ursprünglich Bezugsberechtigte kann sich nicht mehr auf eine rechtswirksame Schenkung des Erblassers berufen und muss das von der Versicherung erhaltene Geld zurückzahlen.
*Quelle: Statista
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Fazit zur Lebensversicherung im Erbfall
Geht es im Erbfall auch um eine Lebensversicherung, ist schnelles Handeln unbedingt geboten, um die Rechtzeitigkeit des (beweisbaren!) Zugangs des Schenkungswiderrufes bei dem Bezugsberechtigten zu gewährleisten.